Das ist nach dem Thema „Politik durch Angst“ das nächste Thema, das mich von meinem bisherigen Stuhl hat fallen lassen. Ich hab’s geahnt, es hat sich angedeutet, aber ich wollte nicht glauben, dass es so kommen kann:
Keine Neugierde, kein Nachfragen. Immer nur Argumente pro Impfung suchen.
Auch die gibt es, ja. Aber die Grundlage aller journalistischen und wissenschaftlichen und auch juristischen Recherchearbeit ist: alle Seiten anhören. Und dann abwägen.
Das ist nicht passiert. Immer wieder sind mir Menschen begegnet oder Artikel, die sich mit dem ersten besten Argument pro Impfung zufrieden gegeben haben. Die Welt ist vielschichtig. Sie war es bekanntermaßen und ist es immer noch.
Dann dachte ich eigentlich, dass wir als Kinder der Aufklärung am Finden und Abwägen von Sachargumenten interessiert sind und dies die Methode ist, um gute Entscheidungen vorzubereiten. Ich dachte, dass die Schmähgesänge, die gelegentlich in Fußballstadien zu bestaunen sind, in denen es darum geht, den Gegner psychisch herauszufordern und zu brechen, Boten aus vergangenen Zeiten seien. Diese Fußballschmähgesänge sind keine Aktivität, bei der ich persönlich Genuss empfinde, aber als kulturelle Übung mit sportlichem Ehrgeiz, wenn auch auf einem mir fremden Gebiet, kann ich das nachvollziehen und respektieren.
Hat sich herausgestellt, dass die Auseinandersetzungen um gute Corona-Maßnahmen auch als Schmähgesang geführt werden. Menschen, die nachfragen, sind dann rechts, oder Demokratiefeinde, untergraben den Staat, sind Aluhutträger, schlecht informiert, müssten es eigentlich besser wissen, hatten zu wenig Liebe in der Kindheit, sind asozial, haben keine Argumente etc., etc.
Ich dachte erst, dass diese Art der Argumentationsvermeidung eine Strategie der Medien ist, um die Meinungen zu framen und die Diskussion zu verhindern. War es bestimmt, ich befürchte aber, dass diese Taktik deshalb funktioniert hat, weil es viele Menschen gibt, die anstehenden Auseinandersetzung auf genau dieselbe Art zu lösen versuchen. Anschließen an Wortführer und persönliche Diffamierung von Andersdenkenden statt Austausch. Gruppendenke statt Hinschauen und Abwägen. Es gibt viel zu entdecken.