Für diesen Beitrag bin ich die RKI-Files durchgegangen, die weitgehend entschwärzten bis April 2021, und habe die Abschnitte zusammengetragen, in denen es explizit um die Lagebeurteilung und die Risikoeinschätzung in den RKI-Protokollen geht.
Für das RKI-File-pdf, weitere Themenauslesen und Highlights und Besprechnungen und ein Abkürzungsverzeichnis siehe den Beitrag ➜RKI-Files (Sammlung).
2020-01-14
Informationen aus GHSI-Telefonkonferenz am 13.01.2020
Sowohl die USA, Kanada als auch die EU (ECDC) stufen die Importwahrscheinlichkeit als gering, die Ausbreitungswahrscheinlichkeit in der Bevölkerung einheitlich als sehr gering ein.
2020-01-14
Maßnahmen zum Infektionsschutz
– Infektionsschutz ist ähnlich wie bei SARS oder MERS, aber mit einem geringeren Gefährdungspotenzial. […] Da bislang von den 400 Kontaktpersonen des medizinischen Personals keine bekannte Erkrankung hervorgegangen ist, ist eine Übertragung ggf. nur bei längerem engem Kontakt möglich, sodass bei Verdachtspersonen unter Abklärung ein einfacher Mund-Nasen Schutz ausreichen würde. Bei labordiagnostisch bestätigten Fällen sollte eine FFP2 Maske empfohlen werden.
2020-01-16
Aktuelle Lage
– In einem vertraulich zu behandelnden WHO-Dokument schätzt die WHO am 15.01.2020 das Risiko in China als hoch ein, global als moderat. Die bisherige Risikobewertung wird damit eskaliert. Hintergrund für die veränderte Risikoeinschätzung wahrscheinlich der erste importierte Fall nach Thailand und eventuell auch der Versuch, Druck auf China betreffend einer transparenteren Informationsweitergabe aufzubauen.
– Die Diskussion ergab, dass das RKI dennoch weiterhin an der derzeitigen Risikobewertung (Risiko des Eintrag nach Deutschland gering, Risiko der Weiterverbreitung in der deutschen Bevölkerung als sehr gering) festhält.
– Am 17.01.2020 wird das ECDC ein Rapid Risk Assessment (Vorversion „Threat Assessment“) veröffentlichen; an deren Einschätzung wird sich das RKI weiter orientieren.
2020-01-22
Aktuelle Lage
– Die Risikoeinschätzung für Deutschland hat sich aufgrund der Hinweise auf Mensch-zu-Mensch-Übertragung leicht geändert:
„Das Risiko für die Bevölkerung in Deutschland wird zurzeit als gering eingeschätzt. Diese Einschätzung kann sich aufgrund neuer Erkenntnisse kurzfristig ändern. Mit einem Import einzelner Fälle nach Deutschland muss gerechnet werden“ (vorher: ist nicht ausgeschlossen).
– Die Mortalität beträgt aktuell 2% (best. und wahrscheinliche Fälle), aber der Nenner aller Erkrankten ist nicht bekannt, daher sind die 2% nicht realistisch und ggf. eher eher überschätzt. Andererseits können weitere Todesfälle noch nachgemeldet werden (von den ersten Erkrankten, da es meist Verzögerungen bei der Meldung der Todesfälle gibt).
– Weiterhin sind keine Kinder betroffen. Der/Die jüngste Erkrankte ist 15 Jahre alt. Auch bei SARS gab es keine Erkrankungen bei Kindern.
2020-01-31
Risikobewertung:
– Es gibt aktuell keinen Anpassungsbedarf, sei bleibt bestehen. Die
Risikobewertung wurde lediglich etwas ergänzt: Mit einem Import von weiteren einzelnen Fällen nach Deutschland muss gerechnet werden. …“
2020-01-31
Es wurden die Kriterien diskutiert welche maßgebend sind, um die
Risikoeinschätzung des RKI hochzustufen. Im Falle fortlaufender Mensch-zu-Mensch-Übertragung, die über sporadische Fälle bzw. Infektionsketten hinausgeht, wird dies neu bewertet.
2020-02-02
Die Risikoeinschätzung des RKI wird wie folgt angepasst:
„…Auch weitere einzelne Übertragungen und Infektionsketten in Deutschland sind möglich. Die Gefahr für die Bevölkerung in Deutschland durch die neue Atemwegserkrankung ist aktuell weiterhin gering…“
Die Schwere der Erkrankung und Empfänglichkeit der Bevölkerung sind noch nicht ausreichend abschätzbar.
Bei einer Ausbreitung muss mit einer erhöhten Belastung des Gesundheitssystems gerechnet werden – besonders parallel zur Grippesaison.
2020-02-06
Monitoring der internationalen Situation hilft bei der Einschätzung, bis solide Daten aus China verfügbar(er) sind, alle stufenweise Einschätzung basiert auf wissenschaftlicher Rationale sehr wichtig, auch wegen RKI Glaubwürdigkeit
2020-02-06
Kommunikationsstrategie
Schwere der Erkrankung ist eine Sache, andere ist, wie viele
Personen betroffen sein werden, möglicherweise großer
Bevölkerungsteil, schafft es das Versorgungssystem?
2020-02-07
ABAS
– Unterausschuss zur Erreger-Einstufung, RKI durch XXXX vertreten, vorläufige Einstufung entsprechend Beschlussvorschlage: Risikogruppe 3 ohne Z Erneute Evaluierung im August, wenn Datenlage besser ist
– MIB Aussage: selten Virus gesehen, das sich so schnell vermehrt
2020-02-18
Aktuelle Risikobewertung
Kein Anlass die Bewertung auf RKI-Webseite anzupassen
2020-02-24
Aktuelle Risikobewertung
– Anpassung des Textes zur Risikobewertung auf RKI Webseite:
Vorschlag von L. Schaade (siehe E-Mail, So 23.02.2020 18:43)
modifiziert durch Presse, FG36 Input dringend notwendig für
schnelle Publikation
– Diskussion zum Risiko für die Gesundheit der Bevölkerung in
Deutschland, gering vs. moderat, Eskalationsmöglichkeit ist
notwendig; Bezug zu Grippewelle – aktuell „moderat“ trotz
Todesfällen und aktuell saisonalem Höhepunkt
– Wahrscheinlichkeit weiterer Ausbreitung/Pandemie, „eine
weltweite Ausbreitung des Erregers scheint allerdings
zunehmend wahrscheinlich“ … kann sich durch neue
Erkenntnisse ändern
– Entscheidung Risiko für deutsche Bevölkerung bleibt vorerst
„gering“
2020-02-26
Aktuelle Risikoeinschätzung
Homepage aktualisiert, jetzt Risiko für Allgemeinbevölkerung in Deutschland “niedrig bis mäßig”, passt besser zu aktueller Einschätzung
2020-03-02
Aktuelle Risikobewertung
• Weitere Änderungen erfolgten während der
Krisenstabssitzung. Die Gefahr für die Gesundheit der
Bevölkerung wird in Deutschland als mäßig eingeschätzt. Es
gibt keine spezifische Abstufung der Risikobewertung
hinsichtlich bestimmter Regionen/Landkreisen (z.B.
Heinsberg). Es gab Kritik vom BMG, dass das Risiko vom RKI
zunächst zu gering eingestuft war. Es sollte aber nicht zu sehr
eskaliert werden, um Panik etc. zu vermeiden.
vgl. dazu die Risikobewertung auf der Website des RKI:
– Änderungen gegenüber der Version vom 26.2.2020 im ersten Absatz (Situation): […] Die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung wird in Deutschland aktuell als gering bis mäßig eingeschätzt. archive.rki.de
– Änderungen gegenüber der Version vom 2.3.2020, 10 Uhr: der Absatz Risikobewertung wurde angepasst. […] Die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung wird in Deutschland aktuell als mäßig eingeschätzt. archive.rki.de
Besprechung auf multipolar-magazin.de
2020-03-05
BMI/BMG Krisenstab will Rationale hinter Risikobewertung des RKI wissen, Text hierzu (basierend auf Pandemieplan) ist in Vorbereitung, FG32 Aufschlag wird von FG36 überarbeitet, Veröffentlichung wird nach Fertigstellung entschieden, Text soll Montag fertiggestellt sein
2020-03-12
Die Risikobewertung wurde durch die Information, dass die WHO eine Pandemie erklärt hat ergänzt. Die angepasste Risikobewertung wird online gestellt. Finanziell, praktisch etc. ändert sich nichts. Es gibt allerdings internationale Fonds (z.B. für pandemic preparedness) die dadurch mobilisiert werden.
2020-03-25
National
o Man sieht, dass die die Epicurve sich langsam abflacht, das
sollte aber in der Außenkommunikation wegen der
Compliance zu den Maßnahmen noch nicht so kommuniziert
werden
2020-03-16
Aktuelle Risikobewertung
o Am WE wurde eine neue Risikobewertung vorbereitet. Es soll diese Woche hochskaliert werden. Die Risikobewertung wird veröffentlicht, sobald Herr Schaade ein Signal dafür gibt.
2020-03-17
Aktuelle Risikobewertung
• In dem heutigen Pressebriefing hat Herr Wieler über die geänderte Risikoeinschätzung informiert. Durch den starken Anstieg der Fallzahlen wird die Gesundheitsgefahr für die Bevölkerung jetzt als „hoch“ eingestuft.
2020-03-26
Aktuelle Risikobewertung
Soll auf „sehr hoch“ für Risikogruppen gesetzt werden; Personen, die mit vulnerablen Gruppen arbeiten, sollen bevorzugt getestet werden.
2020-06-02
Aktuelle Risikobewertung
– Angesichts der sinkenden Fall- und Todesfallzahlen soll eine Anpassung der Risikobewertung erfolgen. Es soll weiterhin möglichst differenziert auf die erhöhte Wahrscheinlichkeit der Ansteckung bei Nicht-Einhaltung der Regeln, Situationen in Gruppen in geschlossenen Räumen mit längerer Aufenthaltszeit mit erhöhter Gefahr der Aerosolbildung hingewiesen werden. Es soll betont
werden, dass die Regeln trotz Änderung der Risikowertung weiterhin gelten.
2020-06-12
Aktuelle Risikobewertung
Kommunikationsstrategie
o (BMG, Abt. 6) hat am Dienstagabend entschieden, dass die Risikobewertung in der nächsten Woche nicht verändert werden soll.
o Vor 2 Wochen ging ein Entwurf an mit dem Vorschlag die Risikobewertung auf moderat zu ändern. Hierbei handelt es sich nur um einen Entwurf.
2020-07-08
Aktuelle Risikobewertung
– Hr. Wieler hat am Montag mit BM Spahn die letzte Pressekonferenz vor der Sommerpause. Hier könnte eine Anpassung der Risikobewertung kommuniziert werden.
o Dabei ist zu bedenken: 1. Weltweit viel Infektionsgeschehen; 2. Anpassung sehr gut erklären wie wir zur neuen Risikoeinschätzung kommen; belegen was eine Höherstufung auslösen kann. Chance in der letzten PK vor Sommerpause, daher gesondert überlegen was in
PK hinein soll. Eine Runterstufung wird aus der Runde unterstützt, aber mit Beibehalten der Maßnahmen
Vorschläge für eine jetzige Runterstufung:
Wollten erst Effekt der ersten Lockerungen abwarten.
Jetzt kann Herabgestuft werden. Tönnies zeigte wie volatil die Situation ist, daher wurde vorher nicht zurückgestuft.
2020-07-10
Aktuelle Risikobewertung
RKI darf Risikobewertung nach BMG nun herunterstufen
Präs hat gestern hierzu Gespräche geführt und tendiert zum Erhalt der aktuellen Bewertung aus folgenden Gründen: […]
2020-10-16
Aktuelle Risikobewertung
– Hochstufung der Risikobewertung notwendig;
– Jetzt als sehr dynamische Lage bereits angepasst;
– Wird nächste Woche besprochen, ob ein Zahlenbasierter Trigger und/oder Beschreibung der Gesamtsituation verwendet werden;
– Brauchen nä. Wo. zum Pressebriefung eine Position hierzu;
2020-11-11
RKI-Strategie Fragen
a) Allgemein
Risikobewertung aktualisieren, insbesondere hinsichtlich der Implikationen der aktuellen Lage für die Belastung des Gesundheitswesens.
Aktualisierung Risikobewertung (Dokument hier)
o Allgemeinere Formulierungen verwendet, damit zeitunabhängig korrekt: „stark angestiegen“ anstelle von „mehr als verdoppelt“ (S. 1)
o „kann sehr schnell weiter zunehmen“ (S. 2, Verschärfung)
o Weitere Änderungen redaktioneller Natur
o Änderungsvorschläge angenommen
2021-03-10
Aktuelle Risikobewertung
– Text im Lagebericht wird angepasst auf Q1/2021 statt Q4/2020.
(Dokument hier)
– Diskussion: Hinweis auf 3. Welle und Risikobewertung bereits jetzt anpassen und deutlicher kommunizieren oder noch nächste Woche abwarten, bis Trend deutlicher zu sehen? Bedürfnis in Bevölkerung nach Lockerungen, Familienbesuche zu Ostern etc. vs. bereits aufkommende 3. Welle; wenn später kommunizieren, dann politische Entscheidungen noch später – ungünstige Situation und Befürchtung, dass Schaden entsteht. Entscheidung: heute und Mo., 15.03., durchdenken; nächste Woche anpassen.
Fazit
Abgesehen von einigen Einträgen zu Beginn des Beitrags, die andere Themen behandeln, zeigen die Ausschnitte, dass die vom RKI veröffentlichte Risikobewertung eine Vorgabe war, die vom Bundesministerium für Gesundheit übermittelt worden ist.
Siehe dazu den Beitrag Politische Einflussnahme.
Das passt dazu
RKI löscht Risikobewertungen, Stefan Homburg
auf youtube.de
Texttranskript zum Lesen oder runterladen (PDF): https://www.kla.tv/29294/pdf
– Bis wann ist das Risiko hochgehalten worden?
– https://web.archive.org/web/20200101000000*/https:/www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html
– Minute 5 Verlaufsgrafik für Risikobewertung
– Minute 7 Verlaufsgrafik PCR-Tests
„Es soll hochskaliert werden“, auf multipolar-magazin.de.
– Tests zum fraglichen Zeitpunkt ausgeweitet
– Anteil der positiven Tests nur von 6% auf 7% gestiegen
– keine RKI-internen Dokumente zur Risikobewertung vorhanden:
Klar scheint: Wenn, wie das Protokoll vermerkt, am Wochenende vom 14. zum 15. März „eine neue Risikobewertung vorbereitet“ worden ist – und dies innerhalb des RKI geschehen sein soll –, dann müsste es beim RKI selbstverständlich auch Dokumente dazu geben: die Risikobewertung selbst sowie sämtliche Kommunikation und Beratung dazu. Dem ist aber nicht so. Die Kanzlei Raue, die das RKI im von Multipolar angestrengten Verfahren vertritt, streitet es in einem Schreiben vom September 2023 an das Verwaltungsgericht Berlin im Namen ihres Mandanten sogar rundheraus ab:
„Nach Abschluss dieser Prüfung bleibt es dabei, dass keine weiteren Dokumente vorhanden sind, die sich mit der Änderung der Risikobewertung am 17. März 2020 von ‚mäßig‘ auf ‚hoch‘ befassen. (…) Informationen, die nicht vorhanden sind, kann die Beklagte nicht herausgeben.“
multipolar-magazin.de.
Barucker: „Lars Schaade, Präsident des Robert-Koch-Instituts begründet die Risiko-Hochstufung von Corona mit exponentiell steigenden Fallzahlen(nicht Erkrankten), die es jedoch damals nicht gab und mit Vorhersagen von Modellen, entgegen der hauseigenen Kriterien.“ Artikel in der Berliner Zeitung, Juni 2024.