passive Meldesysteme

In der Debatte um die Nebenwirkungen werden immer wieder Daten aus passiven Meldesystemen herangezogen (VAERS u.a.). Es wird dann in der Diskussion oft darauf hingewiesen, dass die Daten unzuverlässig seien. Ist das so? Und was ist die Schlussfolgerung daraus?

Dieser Beitrag ist eine Ergänzung zu Nebenwirkungen in passiven Meldesystemen und weiteren Quellen.

 

Grundsätzliche Idee

Passive Meldesysteme sind Meldesysteme, bei denen Ärzte oder Betroffene Gesundheitsbeeinträchtigungen melden können oder sollen, wenn sie diese als Nebenwirkung eines Medikaments oder einer Impfung einschätzen. Soweit ich das verstanden habe, sind diese Meldesysteme gedacht, um eventuell auf Sicherheitsrisken entdecken zu können, die während den Zulassungsstudien nicht aufgefallen sind. Beispiele für solche Meldesysteme ist das Meldesystem des PEI, oder Euravigilance der EMA oder das VAERS in der USA.

 

Probleme

Problem bei diesen Systemen ist zum einen, dass ja an einer Gesundheitsbeeinträchtigung nicht dran steht „Hallo hier Nebenwirkung“. Es wird also sowieso nur gemeldet, was entweder bekannt ist, oder etwas bei dem aus der ärztlichen Praxis ein Verdacht entsteht. Das ist bei zeitnahen Vorkommnissen noch gut möglich.

Besonders bei Veränderungen, die erst nach einiger Zeit sichtbar werden, wie zum Beispiel ein Krebs, ist fraglich, ob ein Zusammenhang mit dem Medikament oder der Impfung hergestellt und dann gemeldet wird. Also: Kurz nach der Impfung ist mir mehr Meldungen zu rechnen, später mit weniger. Auch wenn ein Medikament durchgängig Schäden hervorrufen sollte.

Außerdem ist das Melden zeitaufwändig. Zeit, die für andere Aufgaben vielleicht sinnvoller verwendet werden kann. Warum melden, wenn hinterher doch nur eine Zahl in einer Datenbank dabei herauskommt? In Deutschland ist es zwar vorgeschrieben, aber nicht vergütet. Dann spielt auch die Erwartung des Arztes eine Rolle. Und auch das Verhältnis zum Patienten.

Bei manchen Meldesystemen, für Kanada hab ich es gehört, sortieren dann noch Prüfer alle Fälle aus, die sie nicht als Nebenwirkungen einschätzen.

Dann kann es sein, dass die Auswertungsfunktionen unpraktisch sind.

Da gibt es dann mehrere Diagnosen zu einem Fall, zum Beispiel. Oder es werden Doppelmeldungen herausgenommen, was gut ist wenn es sich tatsächlich um eine Dopplung handelt, aber verwerflich, wenn damit Ergebnisse manipuliert werden. (Siehe dazu die Diskussion zur Löschung von Daten aus der EMA-Datenbank.)

Oder es wird politisch darauf Einfluss genommen, dass besser nicht gemeldet werden soll. Beispielsweise hat sich der Chef der STIKO Mertens dahingehend geäußert, dass die Behandlung beim Arzt vereinfacht würde, wenn kein Zusammenhang mit möglichen Impfschäden hergestellt würde. Dokumentiert auf norberthaering.de.

Das führt dann dazu, dass die Melderaten in den europäischen Ländern trotz gleicher Impfstoffe und ähnlichen Impfquoten deutlich unterschiedlich viele Verdachtsfälle auf Impfschäden angezeigt werden. Siehe Deutschland bei Meldung von Impfschäden abgeschlagen auf transparenztest.de.

Bei Impfkampagnen, wie bei den Coronaimpfungen, kommt eine weitere Ungewissheit hinzu: Es könnte sein, dass Menschen aus dem Gesundheitswesen, die bei sich einen Verdacht auf Impfnebenwirkungen haben, diesen eher melden als Menschen ohne Bezug zum Gesundheitswesen. Wenn jetzt in einer Impfkampagne zuerst die Menschen aus dem Gesundheitswesen geimpft werden, dann gibt es zuerst viele Verdachtsmeldungen und dann weniger. (zu dieser Idee siehe die Interpretation einer Studie zu den dänischen Daten von sciencefiles.org)

Kurzum: Die Daten aus passiven Meldesystemen sind grottig.

 

Hinweise auf Manipulationen

Für Eudravigilance gibt es Bericht über Manipulationen. Siehe zum Beispiel Datenbank über Nebenwirkungen der C19-Impfstoffe der EU-Medizinagentur EMA kompromittiert auf tkp.at.

Auch an anderer Stelle werden Daten bearbeitet: US-Behörde CDC löscht ein Viertel der angeblichen Covid-Todesfälle bei Kindern, auf tkp.at von März 2022.

 

Schätzungen des Underreportings möglich

Es lassen sich immerhin Qualitätsschätzungen machen. Das Verhältnis von den tatsächlich aufgetretenen Nebenwirkungen zu den gemeldeten Nebenwirkungen wird als UnderReportingFactor (URF) bezeichnet. Und auf die Höhe des URF lassen sich Hinweise finden. Wenn beispielsweise zu einem bestimmten Medikament oder einer Nebenwirkung auch noch eine aktive Beobachtung gemacht worden ist. Aktive Beobachtung heißt, dass alle Patienten auf Nebenwirkungen hin befragt werden und diese dokumentiert werden. Nichts Genaues weiß man nicht, aber solche Abschätzungen haben ergeben, dass wohl typischerweise nur 5% der Fälle gemeldet werden, was bedeutet, dass es 20 mal mehr Fälle gegeben hat als gemeldet wurden (vgl. Metastudie auf pubmed). Für andere Medikamente oder Symptome kann es auch 1% sein oder 10% oder … .

Update 2022-12-30: Auch das PEI kennt selbstverständlich diese Thematik. Es äußert sich dazu ähnlich wie vorstehend im Bulletin für Arzneimittelsicherheit März 2017, Seite 30.

 

Das Verhältnis von Meldungen zu einzelnen Krankheiten zu den Gesamtmeldungen als eine Verbesserungsmöglichkeit

Update 2023-07
Sciencefiles.org nimmt in regelmäßigen Abständen eine Auswertung der WHO-Datenbank ViggiAccess vor. Dabei vergleichen sie auch, wie sich die Meldungen zu einzelnen Krankheiten im Vergleich zu den Gesamtmeldungen entwickeln. Dadurch kann ein Hinweis erkannt werden, ob eine Impfung spezielle Krankheiten besonders nach sich ziehen könnte, auch wenn Gesamtheit der Meldungen vielleicht durch sowas wie „Veränderung der Meldelust“ geprägt sein sollte. Beispiel dieser Beitrag.

 

Verwendung im Diskurs

Denen, die die Daten aus den passiven Meldesystemen verwenden, um auf mögliche Gefahren aufmerksam zu machen, wird des Öfteren die geringe Qualität der Daten unter die Nase gehalten.

Wenn keine besseren Daten verfügbar sind, dann ist es doch besser die schlechten Daten zu nehmen als gar keine, richtig? Daraus lassen sich zwar keine genauen Schlüsse ziehen, aber den Impuls mit besseren Erhebungen nochmal genauer hinzuschauen, das sollte doch drin sein. Andernfalls könnten wir uns die passiven Meldesysteme auch gleich ganz sparen.

Die Frage ist auch, wer zu welchem Zweck dieses passive Meldesystem installiert hat? Vielleicht wäre ein aktiveres Meldesystem die bessere Wahl? Dass ein ungeeignetes Meldeverfahren installiert worden ist, lässt sich nicht den Nutzer:innen der Datenbestände eines passiven Meldesystems anlasten. Die Installationseranwortung bei den zuständigen politischen Gremien und den Aufsichtsbehörden.

 

gepostet am 2022-02-10

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