Anlässe eine Traumareaktion zu haben, gibt es zahlreich. Wir haben die Kriege – die noch Generationen nachwirken. Wir haben das Feld von Eltern und Kindern, die Geschlechterverhältnisse und die Wirtschaft. Ich möchte hier das Traumakonzept von Franz Ruppert skizzieren, indem ich einige Aspekte aus seinem Vortrag Wer bin Ich und was will Ich in einer Welt voller Gewalt? wiedergebe.
Das Opfer erlebt Gewalt und dadurch Todes- oder Verlassenheitsängste, Wut- Scham- oder Ekelgefühle. Die gute Nachricht: Ein Teil der Psyche bleibt intakt, und mit der Welt verbunden, immer. Wenn die Situation nicht verdaut werden kann, dann werden aber die entsprechenden Gefühle abgespalten. Es entsteht ein Teil, der diese traumatischen Erfahrungen beherbergt. Und es entsteht ein weiterer Teil, der Traumaüberlebensstrategien ausbildet, auch Opferhaltungen genannt.
Auch bei Tätern spaltet sich die Psyche aufgrund von Schuld, Scham, Angst vor Ächtung und schlechtem Gewissen.
Die Spaltung und die Traumaüberlebensstrategien haben Folgen für die Orientierung eines Menschen in der Welt. Folgende Imperative werden handlungsleitend:
- Nicht fühlen
- Gewalt ist notwendig und normal!
- Traumatisierungen sind normal
- Die Täter sind die Retter!
- Die Selbst-Aufgabe ist normal!
- Opfer bringen ist die Rettung!
- Wahrheiten nicht ernst nehmen!
- Nur die Symptome bekämpfen, niemals das gesamte System in Frage stellen!
Wenn das die leitenden Grundsätze von einem beachtlichen Anteil der Psyche von sehr vielen Menschen ist, wie soll da eine demokratische Gesellschaft draus werden?
Wo sind mögliche Wege, die Traumateilung zu heilen? Erstmal was nicht funktioniert: Rache, Rebellion, Revolution. Pathologisierung, Medikamentengabe. Religionen, Spiritualität als Hoffnung auf Erlösung von außen. Verzeihen. Warum? Weil es nicht zur Erkenntnis der Muster und Strukturen der Opfer-Täter-Spaltungen führt. Diese werden nicht erkannt und können daher nicht bewusst durchbrochen werden. Weder auf individueller Ebene noch auf kollektiver Ebene.
Wie gelingt der Ausstieg aus dem Opfersein?
- Das eigene gesunde Ich und den eigenen gesunden Willen laufend weiterentwickeln
- Anerkennen der schmerzlichen Realität des Opferseins [ der nicht erfüllten Bedürfnisse
- Begreifen der eigenen Opferhaltungen
- Anerkennen der erlittenen Gewalt und aller damit verbundenen Gefühle wie Todesangst, ohnmächtige Wut, Schmerzen, Scham
- Fokus weg von den Täter und auf mich
Ausstieg aus dem Tätersein:
- Das eigene Tätersein anerkennen und den Schmerz darüber fühlen
- Anerkennen der persönlichen Verantwortung
- Anerkennen der persönlichen Schuld
- Zulassen von Ängsten und Schamgefühlen
- Mitgefühl für das Leid der Opfer
- Bemühen um Ausgleich für den Schaden
- Verzicht auf Sühne über den Schadensausgleich hinaus
- In Zukunft anders machen
Der Ausstieg aus dem Tätersein gelingt, wenn der Einstieg in das Fühlen des eigenen Opferseins stattfindet.
Ruppert hat zur Unterstützung des Heilungsprozesses seine Anliegenmethode entwickelt. Diese Methode nutzt zum einen das informationsfeld. Und über die Formulierung eines Anliegens dockt sie direkt an Situationen an, die aufgelöst werden wollen.
Ein weiteres Konzept, das ich sehr aufschlussreich finde, hat Maria Sanchez in ihrem Buch Die revolutionäre Kraft des Fühlens dargelegt. Sie macht darauf aufmerksam, dass im Zuge des Erwachsenwerdens einige persönliche Eigenschaften Anerkennung finden und andere abgedrängt werden. Wenn wir dann als Erwachsene versuchen aus den anerkannten Anteilen zu leben und aus diesen heraus die abgedrängten Anteile zu heilen, kann das nicht wirklich funktionieren, weil ja auch die anerkannten Anteile die Angst der möglichen Ablehnung in sich tragen. Kurze Beschreibung des Konzepts auf medial-duschen.de.